Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll
Über die Herkunft:
Diese Lebensweisheit geht zurück auf Johann Wolfgang von Goethe. Fairerweise muss ich einräumen, dass dieses Zitat im genauen Wortlaut nicht ganz richtig ist, denn im Originaltext heißt es:
Niemand will euch mehr verstehen,
Fordern wir doch höhern Zoll:
Denn es muss von Herzen gehen,
Was auf Herzen wirken soll.
Nun, was auch immer für Goethe die Inspiration für dieses kleine Gedicht war – damit möchte ich mich hier nicht befassen. Dieses Feld überlasse ich den Lyrikern, Germanisten und anderen Menschen, die sich von Berufs wegen mit solchen Texten, teilweise sehr tiefgründig beschäftigen.
Ich möchte über das reden, was dieses Zitat in mir auslöst.
Oder in Ihnen. Was bedeutet es für mich, mein Denken, mein Handeln? Oder für Ihres?
Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll. Das klingt erst einmal nach Empathie, nach menschlicher Nähe, nach Ehrlichkeit, nach guter Absicht. Denn wenn ich etwas von Herzen ehrlich meine, wird es mein Gegenüber anders erreichen, als wenn ich mir oder ihm etwas vormache.
Mitleid oder Beileid beispielsweise. Vielleicht geht es Ihnen wie mir, und Sie sind der Meinung, dass Sie falsches Mitleid oder nicht ehrlich gemeinte Beileidsbekundungen schnell entlarven können.
Ebenso Mut machende Worte. Von Eltern ihren Kindern gegenüber oder auch unter Erwachsenen, unter Freunden, Kollegen, Familienangehörigen, oder in der Partnerschaft. Wirken nicht auch da Mut machende Worte wie leere Floskeln, wenn sich das Gefühl einschleicht, dass sie nicht ehrlich gemeint sind?
Ich bleibe mal bei den Kindern. Ich habe sehr lange (bis mir der Beginn der Corona-Maßnahmen einen saftigen Strich durch die Rechnung gemacht hat) als Kinderfotograf und Kinderliedermacher sehr intensiv mit Kindern zusammengearbeitet und sehr viel Gelegenheit gehabt, sie zu studieren und mein Verhalten ihnen gegenüber zu reflektieren. Ich habe aber auch andere Menschen beobachtet. Eltern, Pädagogen. Und: Ich habe meine eigenen Kinder beobachtet – und ich behaupte, und vielleicht werden Sie mir da zustimmen: Kinder haben sagenhafte Antennen. Sie spüren sofort, ob es jemand gut und ehrlich mit ihnen meint – oder eben nicht.
Wir Erwachsenen haben diese Antennen auch, nur gibt es da 2 wesentliche Unterschiede. Erstens: Bei uns Erwachsenen sind diese Antennen im Laufe des Lebens etwas verkümmert und finden nicht mehr so viel Gehör. Sicher mag ein Grund sein, dass wir uns mit Beginn unserer schulischen Laufbahn und der damit verbundenen Fokussierung auf logisches Denken nicht mehr sehr intensiv mit den Feinheiten der subtilen Wahrnehmungen beschäftigen. Was die Neurowissenschaftler und Entwicklungspsychologen hier vermuten, erscheint mir sehr logisch, und ich schließe mich dieser Einschätzung ohne Wenn und Aber an.
Zweitens: Wir haben uns in Impulskontrolle geübt, also in der zumindest eingeschränkten Unterdrückung von spontanen Reaktionen. Wir sind diplomatischer und höflicher als Kinder, wenn man es so bezeichnen will. Wenn wir Unehrlichkeit erkennen, erhalten wir ein Gespräch vielleicht aufrecht. Ein Kind wendet sich ab. Ich persönlich finde das herrlich, denn Kinder sind fantastische Spiegel, die uns helfen, unsere Haltung und Außenwirkung immer wieder zu reflektieren.
Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll. Auch als Trainer für Kommunikation und Konfliktmanagement sowie für Visualisierung und Präsentation meine ich es ernst und ehrlich mit Ihnen. Es ist mir eine Herzensangelegenheit, mein Wissen und meine Erfahrung mit Ihnen zu teilen. Ebenso als Coach und Mediator. Wenn ich nicht von Herzen ehrlich andere Menschen unterstützen wollte, sie würden es merken, dann bräuchte ich diesen Weg nicht antreten.
Aber was ist mit Ihnen? Vielleicht arbeiten Sie in einem ganz anderen Bereich? Sie fragen sich vielleicht: Was hat das mit mir zu tun? Inwieweit kann ich diese „Herzenssache“ auf meinen beruflichen oder privaten Kontext übertragen?
Nun – ich behaupte mal: Sie sind in der einen oder anderen Art und Weise von Menschen umgeben. In der Familie, im Freundeskreis, unter Nachbarn, vielleicht in einem Verein, aber auch in Ihrem Team auf der Arbeit.
Auch wenn Sie nicht mit Kunden oder Klienten zu tun haben, die Sie „erreichen“ wollen oder sollen – welche Situationen gibt es, in denen Sie andere Menschen erreichen möchten? Ich vermute mal, Ihnen fallen hier spontan Situationen und Anlässe ein, vom liebevollen Geburtstaggruß innerhalb der Familie, bis zu einem kleinen Dankeschön für eine nette Geste unter Kollegen oder vielleicht auch Ihrem Chef gegenüber.
Es muss von Herzen kommen. Was bedeutet das nun genau?
Begeben wir uns auf einen kleinen Ausflug in die Neurowissenschaften, also in den Bereich der Wissenschaft, der sich mit dem Gehirn und seiner Funktionsweise beschäftigt. Sie kennen sicher die Trennung zwischen Bewusstem und Unbewusstem – oder Unterbewusstem. Ich kann etwas bewusst wahrnehmen – oder unbewusst. Unser limbisches System kann Sinneseindrücke (also beispielsweise etwas Gesehenes, ein Geräusch oder einen Geruch) innerhalb von Millisekunden mit bekannten Mustern abgleichen und einordnen in Kategorien wie beispielsweise gefährlich oder ungefährlich. Resultat sind dann entsprechende emotionale Zustände wie zum Beispiel Angst, die uns dann – eben erst als Folge dessen, bewusst werden.
Aber – was hat das mit dem heutigen Thema zu tun? Nun, kommen wir zurück zu einem der eben erwähnten Situationen, nämlich einer Mitleidsbekundung. – „Oh. Das tut mir so leid“. – Was passiert, wenn ich diesen Satz sage? Banal gesprochen wähle ich Worte, füge sie zu einem Satz zusammen und spreche sie aus. Dies ist eine bewusste Aktion. Ich habe mich bewusst entschieden, diesen Satz auszusprechen. Mit der einen oder anderen Absicht. Das ist einfach. Jedoch – was ist denn unmittelbar vorher geschehen? Was ist unterbewusst in mir geschehen? Ich spreche ja diesen Satz aus, weil ich soeben vielleicht eine mitleidserweckende Geschichte gehört oder ein Missgeschick gesehen habe, das ich kommentieren möchte. Ich habe also bereits auf gesendete Signale meines Gegenübers reagiert. Und damit hat sich in mir ein emotionaler Zustand eingestellt. Und das ist, wie eben vereinfacht dargestellt, vorerst unterbewusst geschehen.
Nun ist es so, dass unser Unterbewusstsein in einer sehr engen und direkten Beziehung zu unserem Körper steht. Es gibt unwillkürliche, also nicht bewusst gesteuerte körperliche Symptome, die sozusagen als Sprachrohr des Unterbewussten agieren. In der Psychologie und Neurowissenschaft kennt man diese Zusammenhänge seit Langem. Solche Symptome können sein: Erhöhte Atemfrequenz bei Angst oder Beklemmung, aber auch bei Freude. Schweiß auf der Haut, erhöhte Körperspannung oder -entspannung, Weitung der Pupillen, Veränderung des Sprachtempos oder der Sprachmelodie, Zittern, Veränderung von Puls oder Blutdruck, etc.
Einige dieser hier genannten physischen Veränderungen sind bewusst wahrnehmbar, wie beispielsweise Schweiß auf der Haut oder das Sprechtempo. Bei anderen, wie dem Puls werden sie vielleicht sagen, dass Sie eine Veränderung nicht wahrnehmen können. Die Wissenschaft sagt hier: Doch können Sie. Und aus Erfahrung schließe ich mich dieser Einschätzung an. Nur – wir nehmen diese Dinge nicht bewusst wahr, sondern unbewusst, weil die Reize sehr unterschwellig sind, also ihre Ausprägungen unter einem bewusst wahrnehmbaren Niveau liegen.
Übrigens: Wenn Sie solch ein Signal bewusst wahrnehmen, dann hat Ihr Unterbewusstsein dieses bereits einige Zeit vorher unbewusst wahrgenommen. Wenn bewusst wahrgenommene Signale also auch bereits VORHER unbewusst wahrgenommen werden, können wir uns auch gleich auf die unbewusste, unmittelbare Reaktion konzentrieren.
Nehmen wir also an, Sie erzählen mir von einem Missgeschick. Meine Reaktion: Ehrliches Mitleid. Noch bevor ich dieses durch eine bewusste Aktion in Worte fassen kann, habe ich bereits unbewusst reagiert, die in mir ausgelöste Emotion hat sich unmittelbar in körperlichen Symptomen geäußert, und Ihr Unterbewusstsein hat diese wiederum unmittelbar dekodiert. Dies alles geschieht innerhalb von Millisekunden.
Meine im Nachgang gesprochenen Worte können nun zum unbewusst Erlebten passen – oder eben nicht. Im ersten Fall sprechen wir von kongruenten, im zweiten Fall von inkongruenten Signalen.
Sie sehen, wir können unser Unterbewusstsein nicht austricksen, wir können uns gegenseitig auch nichts vormachen. Was wir lediglich machen können – und es leider auch oft tun -, wir können diese Wirkweisen ausblenden durch permanente Oberflächlichkeit, Hektik, durch rationale Gedankenkarussels, usw. – also durch alles, was uns von der Welt unseres Unterbewusstseins ablenkt und unsere innere Verbindung zu ihm beeinträchtigt.
Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll. Dieser Satz ist nicht nur ein zwischenmenschlicher Appell an unsere Ehrlichkeit, sondern sogar neurowissenschaftlich und psychologisch erklärbar.
Bleiben Sie ehrlich und authentisch. Zu Ihren Mitmenschen, beruflich und privat, aber auch, und das ist ebenso wichtig, zu sich selbst.
Und: Bleiben Sie in gutem Kontakt mit Ihrem Unterbewusstsein. Hören Sie wieder mehr auf Ihre Intention! Sie ist eine gute Freundin. Wirklich!
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